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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Beschluss verkündet am 01.08.2005
Aktenzeichen: 5 Ta 9/05
Rechtsgebiete: ArbGG
Vorschriften:
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 3 |
2. Die Frage, ob bei Streitigkeiten zwischen dem Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft und der Konzernmutter unabhängig von der Qualifizierung des Vertragsverhältnisses mit ihr bereits gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit nicht gegeben ist, konnte offen bleiben.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. Mai 2005 aufgehoben:
Der Rechtsweg zur Arbeitgerichtsbarkeit ist nicht gegeben.
Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Hamburg - Kammer für Handelssachen - verwiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger bei einem Wert von EUR 203.699.-.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I. Die Parteien streiten im Vorabverfahren gemäß § 17 a Abs. 3 GVG wegen der Funktion des Klägers als Geschäftsführer einer (ehemaligen) Tochter-GmbH der Beklagten um die Zulässigkeit des Rechtsweges zur Arbeitsgerichtsbarkeit.
Mit seiner am 5. Mai 2004 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen eine von der Beklagten am 14. April 2004 ausgesprochene außerordentliche Kündigung (Anl. K 11, Bl. 68 d.A.) und macht Gehalts- sowie Schadensersatzansprüche wegen Entzugs des Dienstwagens geltend. Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2004 erweitert er die Klage um weitere Gehälter und eine Abfindungszahlung aus einem Vertrag vom 24. Januar 2003, der vorsah, das Vertragsverhältnis der Parteien zum 31. Dezember 2004 zu beenden (Anl. K 3, Bl. 37 d.A.). Mit einer Klagerweiterung vom 3. Januar 2005 beantragt der Kläger die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungsumstände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen bis zum 31. Dezember 2004 fortbestand.
Die Beklagte macht widerklagend Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend.
Der Kläger war seit dem 1. Januar 1970 für die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin tätig. Die zugrunde liegenden Verträge wurden mehrfach geändert (Anl. B 4 - 7, Bl. 432 ff d.A.). In dem "Anstellungsvertrag" vom 15. Juli 1976 (Al. B 7, 443 d.A.) wird in § 1 die Tätigkeit des Klägers u.a. beschrieben:
"Herr J. K. ist Mitarbeiter im Vorstandsekretariat der Gesellschaft, das dem Alleinvorstand beziehungsweise bei einem erweiterten Vorstand dem Vorsitzenden des Vorstandes der Gesellschaft unmittelbar zugeordnet und weisungsgebunden ist..."
Am 28. Mai 1980 schlossen die Parteien einen Anstellungsvertrag (Anl. K 1, Bl. 30 ff d. A.), in dem es u.a. heißt:
§ 1 Tätigkeit und Aufgabengebiet
1. Herr J. K. ist mit Wirkung ab 1. Mai 1980 zum Geschäftsführer der K. Verlags GmbH, M., berufen worden.
2. Rechte und Pflichten von Herrn J. K. ergeben sich aus der beiliegenden Arbeitsanweisung.
Einschränkungen, Erweiterungen und sonstige Änderungen der Arbeitsanweisung durch die Gesellschaft sind jederzeit zulässig.
3. Die Gesellschaft behält sich eine Änderung der Aufgabenverteilung jederzeit vor. Die Gesellschaft ist ferner berechtigt, Abteilungen oder Funktionen innerhalb der einzelnen Geschäftsbereiche ein- und auszugliedern oder zu ändern.
4. Die Gesellschaft kann die Berufung von Herrn J. K. zum Geschäftsführer jederzeit widerrufen und Herrn J. K. jederzeit in einen anderen angemessenen Aufgabenbereich versetzen.
5. Herr J. K. ist verpflichtet, seine volle Arbeitskraft für die nach diesem Vertrag übernommene Tätigkeit zur Verfügung zu stellen..."
Am 1. Juni 1980 schlossen die K. Verlags GmbH und der Kläger einen Vertrag, der den Ziffern 1 bis 4 des Vertrages mit der Beklagten gleicht (Anl. K 20, Bl. 181 d.A.).
Anlässlich des Abschlusses dieser Verträge erhöhte sich das Gehalt des Klägers von vormals DM 115.000,- auf DM 137.000,- jährlich nach Angaben der Beklagten, nach Angaben des Klägers von DM 118.000,- auf DM 141.250,-.
Zuletzt verdiente der Kläger mit Tantieme monatlich EUR 17.583,- brutto monatlich.
Die Beklagte war bis zum 30. September 2003 Alleingesellschafterin der K. Verlags GmbH, die später in W. Verlag GmbH (im Folgenden: W.) umfirmiert wurde. Sie war zugleich aufgrund eines am 24. September 1980 abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit ihr verbunden.
Im Jahre 1982 übernahm der Kläger - neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der W. - für die Dauer von ca. 2 Jahren die Verlagsleitung der so genannten Spezialzeitschriften. Ende der achtziger Jahre lotete er die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit r. Verlagen aus und berichtete dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten.
Am 19. August 2003 verkaufte die Beklagte ihre gesamten Anteile an der W. Verlag GmbH an die Fa. A. AG mit Wirkung zum Ablauf des 30. September 2003 (Anl. K 4, Bl. 40 ff d.A.).
Mit Schreiben vom 19. August 2003 bat die Beklagte in Umsetzung der Vereinbarung mit der Unternehmenskäuferin (§ 7 Abs. 4 des Kaufvertrages) den Kläger, "den Übergang des operativen Geschäfts mit Ihren speziellen Kenntnissen zu unterstützen" und sicherte ihm die Gehaltszahlung bis zum 31. Dezember 2003 zu (Anl. K 5, Bl. 55 d.A.). Der Kläger stimmte ausdrücklich zu und schloss mit der Unternehmenskäuferin eine Vereinbarung, wonach er ab 1. Oktober 2003 (nunmehr Mit-) Geschäftsführer der W. Verlag GmbH blieb (Anl. K 6, 7 Bl.56 ff d.A.). Das entsprechende Schreiben der Unternehmenskäuferin vom 22. August 2003 an den Kläger lag der Beklagten vor, die sich mit Schreiben vom 9. September 2003 damit einverstanden erklärte, dass das zwischen dem Kläger und der Unternehmenskäuferin vereinbarte Honorar jedenfalls innerhalb bestimmter Grenzen nicht auf das von ihr weiter zu zahlende Gehalt angerechnet werde (Anlage K 8, Bl. 65 d.A.).
Gegenstand vorliegenden Rechtsstreits sind von der Beklagten behauptete Pflichtverletzungen des Klägers im Zusammenhang mit dem Unternehmensverkauf.
Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 13. Juli 2004 sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Hamburg verwiesen mit der Begründung, jedenfalls nach dem 1. Oktober 2003 ließe sich der Gerichtsstand des Erfüllungsortes in München gemäß § 29 ZPO nicht mehr annehmen.
Nach der Güteverhandlung vom 18. Oktober 2004 vor dem Arbeitsgericht Hamburg hat die Beklagte die Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt.
Mit dem der Beklagten am 4. April 2005 zugestellten Beschluss vom 23. März 2005 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit für zulässig erklärt. Hiergegen richtet sich die am 18. April 2005 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten.
Die Beklagte trägt vor, der mit dem Kläger im Jahr 1980 geschlossene Dienstvertrag sei ausschließlich auf dessen Geschäftsführertätigkeit für den W. Verlag ausgerichtet. Nach neuerer Auffassung der Rechtsprechung gehörten im Hinblick auf den Normzweck des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern vor die ordentlichen Gerichte, soweit die zur Geschäftführung Berufenen aufgrund des schuldrechtlichen Dienstvertrages ausschließlich als Geschäftsführer und damit Organvertreter tätig sind. Dies gelte auch für Geschäftsführer einer Konzerntochter, die ihren Geschäftsführer-Dienstvertrag mit der Muttergesellschaft abgeschlossen hätten. Neben diesen alleine auf die Geschäftsführertätigkeit gerichteten Vertrag habe kein weiteres Arbeitsverhältnis zu ihr bestanden. Hierbei bleibe es auch bei Berücksichtigung des weiteren mit dem W. Verlag abgeschlossenen Vertrages, denn insoweit handele es sich um einen einheitlichen Vertrag, da dieser zeitnah und inhaltsgleich abgeschlossen worden sei. Der Kläger sei auch nicht von ihr als Organ bei Aufrechterhaltung der arbeitsvertraglichen Grundlagen an eine Tochtergesellschaft delegiert worden, sondern es sei ein neuer Vertrag abgeschlossen worden. Ihm sei damit eine außergewöhnlich selbständige Stellung eingeräumt worden. Es lasse sich auch nicht aus dem Widerrufsrecht des Vertrages auf eine Arbeitnehmereigenschaft schließen, denn dies bestehe bereits kraft Gesetzes, § 38 GmbHG. Nur für den Fall des Widerrufs der Geschäftsführerstellung sei vorgesehen gewesen, den Kläger mit angemessenen Aufgaben zu betrauen. Dies entspreche der Rechtssprechung, die eine angemessene Übertragung von Leitungsaufgaben für den abberufenen Geschäftsführer etwa bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verlange. Bis zum Ausspruch der Kündigung sei der Kläger im Übrigen gar nicht von seinem Amt als Geschäftsführer abberufen worden, so dass sich auch nicht die Frage stelle, ob aus einer Fortsetzung einer Tätigkeit außerhalb der Organstellung von einer Umwandlung des Geschäftsführer-Dienstverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis ausgegangen werden könne. Bei den vor dem Jahre 1980 mit dem Kläger abgeschlossenen Verträgen handele es sich standardisierte Arbeitsverträge. Der Vertrag vom 28. Mai 1980 enthalte demgegenüber typische Elemente eines Geschäftsführervertrages, nämlich die Berufung zum Geschäftsführer sowie die sog. revoltierende Verlängerungsklausel um jeweils zwei Jahre, die seinerzeit nur Geschäftsführern vorbehalten gewesen sei. Ebenso sei das Wettbewerbsverbot grundsätzlich nur bei Geschäftsführern üblich gewesen. Auch aus der Gehaltssteigerung um 20 % folge ein "Risikoausgleich" für die Beendigung des vorhergehenden Arbeitsverhältnisses und den damit verbundenen Verlust des Kündigungsschutzes. Soweit der Vertrag eine Änderung der Aufgabenverteilung vorgesehen habe, habe sich dies als übliche Regelung auf die bestehende Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung bezogen und sei Ausdruck des gesetzlich bestehenden Weisungsrechtes gemäß § 37 GmbHG.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. März 2005 - 27 Ca 409/04 - den Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit für nicht gegeben zu erklären und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Landgericht Hamburg - Kammer für Handelssachen - zu verweisen.
Der Kläger beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, schon aus dem Aufhebungsvertrag vom 24. Januar 2003 folge, dass die Parteien von einem neben den dienstrechtlichen Abreden mit der W. weiter bestehendem Anstellungsvertrag ausgingen, der als Arbeitsvertrag zu qualifizieren sei, wie sich aus dem Abberufungsrecht und der Verpflichtung der Beklagten zur Übertragung eines anderen angemessenen Aufgabenbereichs im Sinne eines typischen Arbeitgeberdirektionsrechts ergebe. Er hätte deshalb innerhalb und außerhalb der W. mit oder ohne Abberufung als Geschäftsführer eingesetzt werden können. Tatsächlich sei er im Jahre 1982 und Ende der achtziger Jahre auch anderweitig eingesetzt worden. Er sei hinsichtlich der Ausübung seiner Tätigkeiten über die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten des § 37 GmbHG hinaus weisungsgebunden gewesen und hätte keine eigenständigen unternehmerischen Chancen verwirklichen können. Er hätte keine Nebentätigkeiten annehmen und eine begrenzte Anzahl von Urlaubstagen nur nach Absprache nehmen dürfen. Für seine Stellung als Arbeitnehmer spreche auch, dass für ihn Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Auch die Gehaltserhöhung im Jahre 1980 habe seinen Status als weisungsgebundener Arbeitnehmer nicht ändern können, der vor und nach dem 1. Mai 1980 substantiell insbesondere hinsichtlich seiner Einsetzbarkeit im Konzern gleich geblieben sei.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, § 17 a Abs. 4 GVG, § 567 ZPO. Über sie ist gemäß § 78 ArbGG durch den Vorsitzenden zu entscheiden.
1. Das Arbeitsgericht Hamburg ist nicht schon aufgrund der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts München vom 13. Juli 2004 zuständig. § 48 Abs. 1 ArbGG sieht zwar die entsprechende Anwendung von § 17 a GVG für den Fall der Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit vor, so dass gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG der Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das das - wegen angenommener örtlicher Unzuständigkeit - verweisende Gericht verwiesen hat, bindend ist. Diese Bindung gilt aber nur insoweit, als das verweisende Gericht seine Unzuständigkeit geprüft und verneint hat, nicht aber - wie im vorliegenden Fall - bei bloßer Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit für alle weiteren Zuständigkeitsgesichtspunkte wie z.B. der Richtigkeit des Rechtswegs. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG. Diese Norm regelt unmittelbar nur die Wirkung der Rechtswegentscheidung. Die Rechtswegentscheidung ist - nur - "hinsichtlich des Rechtsweges bindend". Eine zusätzliche Bindung hinsichtlich anderer Zuständigkeitsgesichtspunkte kann § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG nicht entnommen werden. Eine entsprechende punktuelle Bindung muss bei einer Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit angenommen werden, da § 48 Abs. 1 ArbGG die "entsprechende" Anwendung des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG vorsieht und damit § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG bei einer Verweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit keinen weitergehenden Inhalt haben kann als im Falle einer Rechtswegverweisung: Die Bindungswirkung ist auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit beschränkt (BAG vom 4. Januar 1993 - 45 AS 12/92 - AP Nr. 42 zu § 36 ZPO; LAG Nürnberg vom 21. Mai 2001 - 7 Ta 95/01 - LAGE § 92 a HGB Nr. 1; Schwab-Walker, ArbGG 2004 Nr. 105 zu § 48). Damit war das Arbeitsgericht Hamburg durch den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 13. Juli 2004, in dem lediglich die örtliche Zuständigkeit geprüft worden ist, nicht gehindert, die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen. Bindungswirkung tritt allerdings hinsichtlich der Frage der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichtsstandes in Hamburg ein.
2. In der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits sind nicht die Arbeitsgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte zuständig.
Eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 a oder b ArbGG. Danach sind die Arbeitsgerichte zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
a. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen folgt im vorliegenden Fall nicht bereits aus der Klagerweiterung des Klägers vom 3. Januar 2005, mit der er auch die Feststellung begehrt, dass das »Arbeitsverhältnis« bis zum 31. Dezember 2004 fortbesteht. Zwar ist bei einer solchen Antragstellung nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG vom 19. Dezember 2000 - 5 AZB 16/00 - und 17.01.2001 - 5 AZB 18/00 - AP Nr. 9 und 10 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung) Streitgegenstand nicht nur die Frage, ob das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien durch die von der Beklagtenseite erklärte Kündigung beendet worden ist, sondern auch, ob dieses Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, so dass nach der Rechtsprechung des BAG zu den sog. »sic-non-Fällen« die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich zur Entscheidung zuständig sind (vgl. BAG vom 18.12.1996 - 5 AZB 25/96 - AP Nr. 3 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung). Diese Grundsätze können jedoch dann keine Anwendung finden, wenn auch ein vermeintliches Arbeitsverhältnis unstreitig beendet ist, ein Feststellungsinteresse nicht begründet werden kann und die Antragstellung ersichtlich dazu dient, den Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit zu erreichen, der nach den bisherigen Anträgen gerade im Streit ist. Dann fehlt es an der für die sic non-Fälle rechtfertigenden Konstellation, dass der Klageerfolg in der Sache von eben den Tatsachen abhängt, die zugleich für die Bestimmung des Rechtsweges entscheidend sind, zumal dem Rechtsstreit eine fristlose Kündigung der Beklagten zugrunde liegt, der Kläger also auch dann Erfolg haben kann, wenn er freier Dienstnehmer und nicht Arbeitnehmer ist (vgl. BAG vom 25. Juni 1997 - 5 AZB 41/96 - AP Nr. 36 zu § 5 ArbGG 1979).
b. Die danach erforderliche inhaltliche Prüfung des Vertrages vom 28. Mai 1980 ergibt, dass die Übertragung der Position eines Geschäftsführers der von der Beklagten beherrschten W. GmbH auch im Verhältnis Beklagter und Kläger nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgte. Folgende Rechtsgrundsätze liegen zugrunde:
Es ist keineswegs selbstverständlich, dass ein GmbH-Geschäftsführer, der nicht bei der von ihm geleiteten GmbH, sondern bei der Holding-Gesellschaft der Firmengruppe angestellt ist, damit Arbeitnehmer der Holding ist oder bleibt und beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen etwa Kündigungsschutz genießt (BAG vom 15. April 1982 - 2 AZR 1101/79 AP Nr. 1 zu § 14 KSchG 1969; vom 29. April 1999 - 2 AZR 352/98 - AP Nr. 21 zu § 23 KSchG 1969). Auch bei der Drittanstellung ist das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit zu prüfen, indem der Vertrag nach Regelungsinhalt und tatsächlicher Durchführung auf Beschränkungen zu untersuchen ist, die über das für Fremd-Geschäftsführer übliche Maß hinausgehen, welches anhand des gängigen Katalogs zustimmungsbedürftiger Geschäfte festzustellen ist. Wenn die Tätigkeit und Arbeitszeit im Wesentlichen frei gestaltet werden können und dann noch die Vergütung über der eines leitenden Angestellten liegt, ist der Vertrag als Dienstvertrag zu qualifizieren. Dagegen wird eine Arbeitnehmer-Eigenschaft zu bejahen sein, wenn der Geschäftsführer einem Direktionsrecht der Obergesellschaft bezüglich Zeit, Ort, Dauer und Art der Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit unterliegt (BAG vom 13. Mai 1992 - 5 AZR 344/91 - ZIP 1992, 1496; vom 13. Juli 1995 - 5 AZB 97/94 - NZA 1995, 1070). Diese zur GmbH & Co KG entwickelten Grundsätze lassen sich auf den GmbH-Konzern übertragen (Namendorf, Der arbeitsrechtliche Status von GmbH-Geschäftsführern, 2003, S. 105).
Übertragen auf vorliegenden Rechtsstreit bedeutet dies folgendes: Weder aus dem Vertrag selbst noch aus der von den Parteien gemachten Angaben zur tatsächlichen Durchführung ergeben sich Beschränkungen, die über das übliche Maß bei Fremd-Geschäftsführern hinausgehen. Der nach dem Vertrag mögliche Widerrufsvorbehalt gibt die Rechtslage hinsichtlich der Rechte der (beherrschten) Gesellschafterversammlung aus § 38 GmbHG wider, auch die vorbehaltenen Änderungen hinsichtlich der Arbeitsanweisung bleiben im Rahmen des § 37 GmbhG, gleiches gilt auch hinsichtlich der Aufgabenverteilung innerhalb der Gesellschaft, also innerhalb der beherrschten GmbH. Nach Abberufung als Geschäftsführer hätte die Beklagte in der Tat dem Kläger auch im Rahmen freier Diensttätigkeit - etwa bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - einen angemessenen Aufgabenbereich übertragen müssen (OLG Karlsruhe vom 25. August 1995 - 15 U 286/94 - GmbHR 96, 208). Nebentätigkeitsverbote und Urlaubsregelungen vermögen die einem Geschäftsführer zustehende Eigenverantwortlichkeit bei der Gestaltung seiner Tätigkeit nicht zu einer persönlichen Abhängigkeit umzufunktionieren. Insoweit enthält etwa die Vereinbarung des Klägers mit dem W. Verlag vom 15. März 2004 (Anl. K 7, Bl. 57 ff d.A.) detailliertere Regelungen und stellt dennoch keinen Arbeitsvertrag dar.
Auch aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages ergibt sich nichts anderes. Dass der Kläger seine langjährige Tätigkeit als Geschäftsführer nicht im Wesentlichen frei gestalten konnte, etwa gar einem im Einzelfall bestehenden, konkret ausgeübten Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Ort, Art und Dauer seiner Tätigkeit unterlegen hätte, trägt er selbst nicht vor. Seine Tätigkeiten im Jahre 1982 für andere Zeitschriften und Ende der achtziger Jahre in R. erfolgten neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer und konnten angesichts seiner Stellung und den Vereinbarungen der Parteien auch im Rahmen des zugrunde liegenden freien Dienstverhältnisses erfolgen. Arbeitsleistungen können sowohl in einem Arbeitsverhältnis wie auch in einem Geschäftsführerdienstverhältnis erbracht werden (BAG vom 8. Juni 2000 - 2 AZR 207/99 - AP Nr. 49 zu § 5 ArbGG 1979). Recht deutlich zeigt sich die Weisungsfreiheit des Klägers bei seinem Einsatz anlässlich der Übergabe der Geschäfte an die Unternehmenskäuferin, denn die Beklagte wies den Kläger nicht etwa an, hierbei behilflich zu sein, sondern bat ihn um Unterstützung und der Kläger stimmte ausdrücklich zu.
Letztlich folgt auch aus dem Neuabschluss des Vertrages vom 28. Mai 1980 und der damit verbundenen Aufhebung des bisherigen Anstellungsverhältnisses, dass die Parteien ihre Rechtsbeziehungen neu regelten. Das BAG geht davon aus, dass - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des § 623 BGB - ein Arbeitsverhältnis selbst durch ein schlüssiges Verhalten aufgehoben werden kann. Ein entsprechender Beendigungswille muss nur unzweifelhaft und eindeutig zum Ausdruck kommen (BAG vom 16. März 2000 - 2 AZR 196/99 - RzK I 9 i Nr. 72; 8. Juni 2000 - 2 AZR 207/99 - BAGE 95, 62). Das BAG meint, dass im Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages durch einen leitenden Mitarbeiter im Zweifel die konkludente Aufhebung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses liegt. Dies gilt vor allem dann, wenn ein völlig neuer (Geschäftsführerdienst-) Vertrag mit einem anderen Vertragspartner als dem bisherigen Arbeitgeber geschlossen wird (BAG 28. Dezember 1995 - 5 AZB 4/95 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 24 = EzA ArbGG § 5 Nr. 12; Senat 8. Juni 2000 - 2 AZR 207/99 - aaO) und sich die vertraglichen Konditionen - vor allem in finanzieller Hinsicht - für den bisherigen Arbeitnehmer als Geschäftsführer verbessern. Der BAG hat in seiner Entscheidung vom 8. Juni 2000 (aaO) darauf hingewiesen, dass - mangels weiterer Anhaltspunkte - grundsätzlich eine Vermutung dafür spricht, dass nach dem Willen der Parteien neben dem Geschäftsführer-Dienstvertrag mit der neuen GmbH nicht noch ein Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber ruhend fortbestehen soll. Damit hat der Senat die mit der Entscheidung vom 7. Oktober 1993 (- 2 AZR 260/93 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 16 = EzA ArbGG § 5 Nr. 9) eingeleitete Änderung seiner Rechtsprechung fortgeführt. Einem Arbeitnehmer in einer leitenden Position muss regelmäßig klar sein, dass er - wenn anderes nicht ausdrücklich vereinbart worden ist - mit dem Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages mit einer anderen Gesellschaft seinen sozialen Besitzstand aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis aufgibt. Die Vergütungshöhe in dem neuen Geschäftsführerverhältnis gibt dabei nicht den entscheidenden, sondern nur einen von mehreren Aspekten für die Beantwortung der Frage, ob das bisherige Arbeitsverhältnis beendet worden ist, da oft auch Hoffnungen auf zukünftige günstige wirtschaftliche Entwicklungen einerseits oder ein erhöhtes Sozialprestige andererseits den Entschluss des Betroffenen zum Wechsel in eine Geschäftsführerposition tragen können (vgl. BAG vom 8. Juni 2000 - 2 AZR 207/99 - aaO; vom 25. April 2002 - 2 AZR 352/01 - EzA § 543 ZPO Nr. 11).
Vorliegend hat der Kläger zwar nicht nur mit der W. GmbH den neuen Vertrag geschlossen, sondern auch mit seinem bisherigen Arbeitgeber. Aber auch insoweit ist es zu einer grundlegenden Änderung in der Vertragsgestaltung gekommen, die darüber hinaus noch im ersten Paragraphen wörtlich identisch ist mit dem Vertrag mit der W.. Die Vergütung des Klägers ist dabei nicht nur marginal, sondern erheblich angehoben worden. Er erhielt eine um fast 20 % erhöhte Vergütung. Dass damit auch seine erhöhten Arbeitsleistungen und -anforderungen als Geschäftsführer mitvergütet und ausgeglichen worden sind, kann unterstellt werden. Festzuhalten bleibt aber, dass eine erhebliche Erhöhung der Vergütung gegeben und bei der Bewertung des Sachverhalts im Sinne des Abschlusses eines Dienstverhältnisses zu berücksichtigen ist.
3. Die Frage, ob bei Streitigkeiten zwischen dem Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft und der Konzernmutter unabhängig von der Qualifizierung des Vertragsverhältnisses mit ihr bereits gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit nicht gegeben ist, konnte daher offen bleiben (LAG Frankfurt vom 31. August 2004 - 13 Sa 340/04 - n.v.; LAG Hamm vom 18. August 2004 - 23 Ta 172/04 - ZIP 04, 2251; BAG vom 20. August 2003 - 5 AZB 79/02 - AP Nr. 58 zu § 5 ArbGG 1979). Nur bei einer Entscheidungserheblichkeit dieser Frage wäre die Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasst gewesen.
4. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit ergibt sich abschließend auch nicht aus § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Der Kläger ist keine arbeitnehmerähnliche Person, denn er ist seiner sozialen Stellung nach nicht einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig. An der vergleichbaren Schutzbedürftigkeit fehlt es, wenn der Dienstnehmer - wie hier - Bezüge erzielt, wie sie etwa für Geschäftsführer typisch sind und Arbeitgeberfunktionen wahrgenommen werden (BAG vom 22. Februar 1999 - 5 AZB 56/98 - RzK I 10a Nr 43).
5. Unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. Mai 2005 war die Sache daher an das Landgericht Hamburg zu verweisen. Die von der Beklagten beantragte Zuständigkeit der Handelskammer ergibt sich aus § 95 Abs. 1 Nr. 4 a GVG.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Beschwerdewert des Zwischenstreits entspricht nicht dem Hauptsachewert, da über die gegenseitigen Ansprüche nicht entschieden wurde. Deshalb ist ein Zehntel des Wertes der Hauptsache angemessen (Kündigungsschutzantrag: 3 Gehälter, Schadensersatzanspruch wegen des Dienstwagens: EUR 5.000,-; Zahlungsansprüche Kläger: EUR 577.541,60; Widerklage Zahlung: EUR 291.687,76; Feststellungsantrag: EUR 1.000.000,-; Auskunft. EUR 100.000,-).
Ende der Entscheidung
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